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VW ID.3: Elektro-Auto mit Ein-Gang-Menü

Nicht nur für Schrauber wird der kommende VW ID.3 zu einer Fundgrube technischer Leckerbissen. Jetzt hat Volkswagen ein wichtiges Bauteil vorgestellt, mit dem eine Revolution im Getriebebau eingeleitet wird. Es hat nur einen einzigen Gang.

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Beim Urahn aller Volkswagen-Busse und Transporter gab es solche Überlegungen natürlich nicht. Denn die Bauteile stammten überwiegend vom Käfer – und der hatte damals nur vier nicht synchronisierte Gänge. Spätere Busse der Baureihe T1 erhielten dann Getriebe, bei denen die Gänge 2 bis 4 Synchronringe trugen und sich deshalb nahezu geräuschlos wechseln ließen, weil sich die Ringe aneinander rieben und so beide Zahnräder in Gleichlauf brachten. Zwischengas und Zwischenkuppeln waren fortan nicht mehr notwendig.

Beim ID.3 ist fast alles anders. Statt eines angeflanschten Elektromotors gibt es eine leistungsstarke E-Antriebseinheit (APP310), die mit einem sehr kompakt gebauten Getriebe gekoppelt ist und die Kraft auf die Antriebsräder weiterleitet. Alles zusammen heißt bei Volkswagen „Modularer E-Antriebs-Baukasten (MEB)“ und das Getriebe schreibt sich „1-Gang-Getriebe“.

Wie kommt die Kraft auf die Räder?

Der Vortrieb, also die Kraft, die Fortbewegung ermöglicht, und die Geschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs werden durch die Drehzahl seines Antriebs bestimmt. Mit zunehmenden Umdrehungen kann sich jedoch die an die Räder übertragene Kraft – das Drehmoment – verändern. Bei einem Verbrennungsmotor steigt das Drehmoment mit zunehmender Drehzahl und sinkt im weiteren Verlauf wieder ab. Im Idealfall hat die Drehmomentkurve das Profil eines Tafelbergs.

Im Gegensatz dazu steht bei einem elektrischen Antrieb das maximale Drehmoment sofort zur Verfügung und bleibt über einen weiten Bereich konstant. Der Einsatz eines mehrgängigen Getriebes zum Erreichen der gewünschten Geschwindigkeit beziehungsweise des erforderlichen Drehmoments entlang der Drehzahlkurve ist somit nicht zwingend notwendig. Das Auto fährt sich also fast genauso, wie eines mit einer vielstufen Automatik (Direktschaltgetriebe), - nur noch ohne „Stufen“.

Übrigens hat die Entwicklung dieser Getriebeautomatik dazu geführt, dass deren Einbaurate in die bisherigen Verbrenner-Autos stetig zugenommen hat und heute bei nahe 80 Prozent liegt.

 ©VWN

Ein Gang für alle Fälle

Im Volkswagen ID.3 kommt ein 1-Gang-Getriebe mit zwei Stufen zum Einsatz. Für eine Rückwärtsfahrt wird die Drehrichtung des elektrischen Antriebs einfach umgekehrt. Dafür und für die Leistungscharakteristik des Antriebs ist neben weiteren Komponenten eine Leistungselektronik verantwortlich. Zum Erreichen der maximalen Leistung von 150 kW sind von der elektrischen Antriebseinheit hohe Drehzahlen erforderlich. Um ein kraftvolles Drehmoment zu liefern, kommt eine etwa zehnfache Übersetzung zum Einsatz. Aus Platzgründen wurde diese anstatt mit einem großen Zahnrad mit zwei kleineren zweistufig ausgeführt.

So werden im ID.3 durch den Elektromotor maximal 310 Nm über einen weiten Bereich konstant bereitgestellt. Die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h wird bei maximal 16.000 Umdrehungen pro Minute erreicht. Für den auf Reichweite optimierten ID.3 ist die Verwendung nur eines Ganges für alle Fahrsituationen vollkommen ausreichend.

Made in Kassel

Da ein elektrischer Antrieb sehr leise arbeitet, spielt der Geräuschkomfort bei einem E-Fahrzeug eine wichtige Rolle. Selbst kleinste Störquellen werden plötzlich hörbar. Die Teile für das 1-Gang-Getriebe müssen deshalb so präzise gefertigt sein, dass sie akustisch nicht auffallen. Am Ende der Produktionslinie werden daher für den E-Antrieb nicht nur Leistungskennzahlen geprüft, sondern auch relevante Werte für dessen Akustik. Alle für europäische und nordamerikanische E-Fahrzeuge gefertigten Antriebe auf Basis des MEB – inklusive des 1-Gang-Getriebes – kommen aus dem Komponentenstandort Kassel. Wesentliche weitere Teile dafür werden in den Komponentenwerken Salzgitter, Poznań und Hannover produziert und zugeliefert.

von Ernst Bauer