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Das Lasttier des Landarztes

Eigentlich wollte Dr. Wolfgang Sohn vor 16 Jahren nur einen neuen VW Polo für seine Frau erwerben. Wie es dazu kam, dass zusätzlich ein T4 Caravelle Syncro gekauft wurde, der mit dem ersten Motor mittlerweile 600.000 Kilometer auf dem Tacho hat und nach Möglichkeit für immer im Besitz des Bulli-Fans bleiben soll, lesen Sie hier.

 ©Dr.Sohn

Liebe Bulli-Freunde,

das Baujahr meines T4, 1997, war in Deutschland wirtschaftlich problematisch. Zwar stellte die CDU mit Helmut Kohl seit Jahren den Kanzler, quasi eine 145kg schwere Stabilität, doch musste sein Wirtschaftminister Günter Rexroth sich mit vielen Problemen, nicht zuletzt mangelndem Wirtschaftswachstum und hoher Arbeitslosigkeit auseinandersetzen.

Trotz aller nationalen Konjunkturproblemen, brauchte meine Frau damals einen (fast) neuen Polo, weil Wohnen und Arbeiten im ländlichen Bereich des Niederrheins eben nur mit zuverlässiger Mobilität funktioniert. Also machten wir an einem Mittwochnachmittag in der Krefelder VAG Vertretung Toelke & Fischer eine Termin. Auf dem Weg zur Halle mit den Polo-Vorführwagen mussten wir auch an den dicht aneinander stehenden VW Bussen in jeder Ausführung und Farbe vorbei. Obwohl es damals keine Überlegung gab, unseren aktuellen weißen T4 Multivan nach sieben Jahren auch zu ersetzen, verlangsamte ich meinen Schritt unbemerkt von meiner vorausgehenden Frau und ich verharrte kurz an einer graumetallic glänzenden Caravelle.

 ©Dr. Sohn

Der mir noch bekannte Verkäufer, ein erfahrener Mann Ende 50, mit Anzug und Krawatte, wie es üblich war, bemerkte dieses leichte Zögern sofort und kam mit der richten Mischung aus ruhiger Gelassenheit und freundlicher Zurückhaltung auf mich zu. „Schauen sie ihn sich ruhig auch von innen an, ein einzigartiger Bus, denn er hat alle Extras, die es auf der Zubehörliste gibt. Und über den Preis können wir solange reden bis sie zufrieden sind. Herr Doktor, sie müssen die Firma nicht ohne diesen wunderbaren Bus verlassen und ihr alter hat doch auch sicher schon einiges gelaufen.“

Der Verkäufer hatte die Situation richtig eingeschätzt. Schnell waren wir beim Kauf des Polos handelseinig, denn für meine Frau war nur die Farbe (silbermetallic), der kleinste Motor (Umweltaspekt) und ein Schiebdach (richtige Luft) wichtig.

Dann führte der Weg wieder zur schönen allradangetriebenen Syncro-Caravelle, die mich mit der Farbe und den vielen Extras verführt hatte. Nach einer Stunde hin- und herüberlegen, ließen wir (meine Frau: "Du musst wissen, ob wir jetzt gleich noch einen zweiten Wagen brauchen…") den T4 reservieren, mit dem Hinweis, morgen – um eine Nacht drüber zu schlafen – die Entscheidung zu treffen.

 ©Dr. Sohn

Beim Termin am nächsten Tag wurde dann tatsächlich ein Preis verhandelt, der wegen der schon langen Standzeit und den 12.000 km auf dem Tacho mit glatten 50.000,- DM, bei einem Listenpreis von 84.000,- sehr günstig war. Zudem wurde mir noch eine 1%-Finanzierung über drei Jahre eingeräumt. Somit passte alles noch gerade in unser nächtlich überlegtes Budget und ich konnte zwei Tage später mit dem Kennzeichen VIE-WS 230 als neuer Besitzer vom Gelände der VAG Vertretung fahren.  

Als Vater von drei Kindern, beim Kauf 18, 15 und 12 Jahre alt, wird man bei so einem herrlichen quasi Neuwagen leider höchst penibel und kleinkariert. Gleich auf der ersten Urlaubsfahrt wenige Wochen nach dem Kauf verlor der Bus seine Unschuld. Der giftgrüne „Siroup mentes“ verlief auf der Rückfahrt aus dem Bretagne-Urlaub in einer Kurve zäh und unaufhaltsam über den wunderbaren, weichen, hellgrauen Veloursbodenbelag. Fünf eigentlich erholte Menschen waren zunächst völlig perplex und gaben dann gleichzeitig Ratschläge und versuchten mit Unmengen von Wasser, Küchenrollenpapier und sogar einem Pfannenheber als Spachtel, das Unheil zu bannen. Die Empfindlichkeit gegenüber Flecken und Kratzern ließ dann zwangsläufig nach.

 ©Dr.Sohn

Dass der T4 ein Raumwunder ist, war uns nicht neu. Bei Regen wurde die Vespa morgens mit zur Schule genommen, damit die Tochter wenigstens trocken hinkam. Bei ausgebauter mittlerer Sitzbank und des Einzelsitzes passte der Roller genau rein. Zwei Fahrräder kann man ebenfalls innen gut quer hinter den Vordersitzen unterbringen. Bis heute ermöglicht das wunderbare Stadtbesuche auf Reisen, zuletzt in München, wo die Enkeltochter darauf wartet, mit ihrem Kindersitz den Bus zu genießen.

Flohmarktbesuche ließen locker den Kauf von Gartentischen zu. Alles konnte untergebracht werden. Die großen Musikboxen der Firma Braun, aus der legendären 1000er Serie, mussten ebenfalls nicht bei einem Trödler stehen bleiben, der Transport war kein Problem. Drei Erbschaften konnten sich auch auf die Mitnahme von Bildern größeren Formats, Vasen und Geschirr erstrecken, was man sonst eher stehen lassen würde, weil die Entscheidung für oder dagegen auch am aufwendigen Transport scheitern würde.

Bis heute ist man im Freundeskreis beliebt für großzügiges Helfen beim Transfer von Matratzen etc. oder zuletzt einem Laufband. Auch die studierenden Kinder wissen beim häufigen Wohnungswechsel den hilfsbereiten Vater mit seinem Bus zu schätzen.

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Auch die acht Sitze sind für Ausflüge mit dem ganzen Praxis-Team (2 Ärzte, 6 Arzthelferinnen) nicht nur zu Weiberfassnacht – hoher Feiertag im rheinischen Karneval, an dem die Frauen das Sagen haben – und der ausgeloste Pechvogel nüchtern bleiben musste um den T4 zu fahren, sehr nützlich.

Die vielen Extras unseres T4 haben von Anfang an die ganze Familie fasziniert. Das damals noch nicht etablierte Außenthermometer beispielsweise wurde magisch bei der Fahrt von Brixen nach St. Ulrich beobachtet, als es im milden Winter 2006 in den Dolomiten kaum genug Schnee gab und das Thermometer erst kurz vor der Ankunft endlich Minustemperaturen anzeigte.

Mit der Standheizung war nur unser Auto nach einem langen Skitag vorgewärmt oder hatte morgens schon getaute Scheiben. Die effektive Sitzheizung ergänzte das große Komfortgefühl wunderbar. Ein einzigartiges Gefühl von Luxus war diese wohlige Wärme durch diese früher als überflüssig erlebten Extras, die ich nicht mehr missen möchte.

 ©Dr.Sohn

Dass ein Allradantrieb nur als SUV verkleidet funktioniert oder als Willys Jeep und Land Rover wird mit dem Syncro widerlegt. Sowohl bei regennasser Fahrbahn ist die Stabilität spürbar, als auch bei Schnee und Eis. Das zuschaltbare Sperr-Differential tut ein übriges, um auch bei tiefem Boden immer das Gefühl zu haben: Ich komme immer raus. Auch bei ungewollten aber notwendigen Ausweichmanövern wegen entgegenkommender Fahrzeuge war das Verlassen der Fahrbahn in den unbefestigten Randstreifen nie ein Problem.

Auch die Anhängerkupplung hat sich auf schwerem Untergrund bewährt. Vor allem die Hilfsbereitschaft anderen zu helfen konnte souverän umgesetzt werden. So mancher gestrandete wurde „an den Haken“ genommen und dank der Kupplung und des gut verteilten Vortriebs verbunden mit dem satten Drehmoment des Fünfzylinders auf sicheren Boden gebracht - zuletzt in Rekordzeit von gefühlt unter 3 Minuten ein junger Franzose, der mit dem Vorderteil seines Renaults mittig auf einen Kantstein gefahren war und die Vorderachse „im Freien“ hing. Das griffbereite Abschleppseil am Haken und an der französischen Stoßstange befestigt, dann den Hinweis, das Seil straff zu halten (auf englisch vermittelt) und mit Gefühl angefahren. Die Hilfe wurde höchst dankbar vom jungen Franzosen quittiert. „Vive l’Allemagne“, oder so.

 ©Dr. Sohn

Zwischen Schiebedach oder Klimaanlage zu entscheiden ist bis heute eine lebendige Diskussion zwischen Mann und Frau. Echte Luft oder künstlich gekühlte kann man allerdings gut sowohl als auch genießen, so heißt unsere Kompromissformel.

Die leistungsstarke Musikanlage „Gamma“ hat Konzertsaalqualität. Auch, wenn die Ausstattung des Gerätes „nur“ eine Kassettenabspielmöglichkeit zulässt, haben wir mittlerweile Freude, unsere alten Kassetten (z.B. J.J. Cale) auf den Reisen hören zu können.

Bis heute wird der Wagen zu meiner vollen Zufriedenheit bei Toelke und Fischer gewartet und hat demzufolge eine komplettes Scheckheft, was mit dem quasi Erstbesitz neben der hohen Laufleistung mit erstem Getriebe und Motor sicherlich kein zweites Mal in Deutschland vorkommt.

 ©Dr. Sohn

Die Liste der ausgetauschten Teile hält sich in Grenzen. Aus der Erinnerung sind es 3 Kupplungen, 3 Kats, auch der Kat der Eberspächer Standheizung (sehr teuer), die Klimaanlage, die Bremsscheiben vorne 4x und hinten 2x, die Zusatzlüfter, 4 x musste der Auspuff ersetzt werden, 2x der Anlasser, 1x das Zündschloss, eine Armlehne am Fahrersitz. Zuletzt der Wärmetauscher der Heizung. Dass die hervorragende Klimaanlage ausgerechnet an einem extrem heißen Tag auf dem Rückweg aus Frankreich ihren Geist aufgab, als wir gerade noch umfangreiche Köstlichkeiten eingekauft hatten, die wir unserer Familie mitbringen wollten, war einfach Pech. Während ich den Beitrag schreibe, höre ich besonders beim Fahren auf jedes Geräusch, denn nichts wäre ja paradoxer, als wenn gerade jetzt der Motor einen Schaden bekäme.

 ©Dr.Sohn

Der aktuelle Preis für einen Austauschmotor liegt mit MwSt ohne Dichtungen für die Anbauteile bei 4495,- Euro. Wäre ja toll, wenn das Werk mir irgendwann einen solchen zu „Werkspreis“ für Mitarbeiter oder so überlassen würde.

Denn gerne würde ich diesen Wagen als Oldtimer, also nach 30 Jahren ab 2027, mit „H“-Kennzeichen fahren. Diese Leidenschaft besteht in der Familie, wo eine weißer Volvo Amazon Kombi Bj. 1966 und eine grüner Triumph TR 4 aus demselben Jahr neben dem T4 stehen.      

Die Tradition des VW-Bus fahren scheint im Übrigen innerhalb unserer Familie ansteckend zu sein, denn unsere Tochter liebt ihren 1990er T3 Blue Star Limited Edition. Viele Grüße! Wolfgang Sohn

von Ernst Bauer