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Buchtipp Bullimania: Normal gibt's schon, oder?

Für Traditionalisten ist das neue Buch "Bullimania" gewiss die falsche Lektüre. Wer jedoch Spaß an ungewöhnlichen und schrägen Bulli-Umbauten hat, für den ist "Bullimania - unglaubliche VW-Busse" ein Muss. Heiko Wacker hat das Buch gelesen und stellt es hier vor.

 ©Delius Klasing

Manche verpassen ihrem Bulli nen Dachträger und Weißwandreifen – und sind stolz auf solch radikalen Umbau. Andere verbiegen die Karosse um 30 Grad, bauen Turbinen ein oder legen das Fahrwerk tiefer, bis es als Kartoffelpflug taugt – und finden das super. Alles ganz normal eben. So wie wir. So, wie die Leute aus "Bullimania"...

Eins vorneweg: Knallharte Fans originaler Autos, die schon Bauweh bekommen, wenn die Kartusche der Fettpresse mehr als zwei Wochen vom Produktionsdatum ihres Bulli abweicht – und die Federpakete in der Achse lieber trocken lassen als dieses "unhistorische" Fett durch die Schmiernippel zu jagen – die sollten sich "Bullimania" nur in sehr gelassener Stimmung zu Gemüte führen.

Wer jedoch Spaß hat am technisch Machbaren, der wird Spaß haben an Norbert Nettekovens Buch, liefen ihm doch im Laufe der Zeit einige wirklich skurrile Kisten vor die Linse. Wobei die Beschreibung des "technisch Machbaren" an sich schon fragwürdig ist: Meine Herrn! Manche Leute haben echt Ideen, denken wohl das Unmögliche – und versuchen dann, es trotzdem auf die Räder zu stellen. Ob das dann schön ist, oder die Schönheit wirklich nur im Auge des Betrachters liegt, das muss jeder selbst entscheiden.

Und doch dürften die auf Winzmaße zusammengekürzten Bullis nicht weniger Applaus bekommen als die Stretch-Limos, während die Vertreter der "Rustyness" oder der "Fancyness" schon derart absurd daherkommen, dass es jedem HU-Prüfer eisig kalt unterm grauen Kittel juckt. Vorschlag: Man kann ja mal mit einem dezent modifizierten T1 bei der Prüfbehörde vorfahren – um dann zu erklären, dass die Einschusslöcher, die der Bus im Laufe der Zeit als Zielscheibe in Südamerika abbekam, unbedingt zur Historie gehören, deshalb konserviert werden mussten, und der werte Herr jetzt doch bitte aufhören soll, seinen Kugelschreiber in die Löcher zu stecken...

Klar: Viele Autos sind bei uns allenfalls als "Trailer-Ware" denkbar, in Übersee sind die Regeln (ein T2 kann auch dann noch fahren, wenn er auf der Seite liegt) bisschen lockerer. Doch dem Buch nimmt das seinen Reiz nicht, zumal hier die Fotos ganz klar im Mittelpunkt stehen, die Texte ducken sich zuweilen weg, mehr als drei oder vier Zeilen sind es selten, sieht man von den "Auto-Quartett-Steckbriefen" ab, die sich indes selbst auch nicht so ernst nehmen. Da kann dann auch mal stehen: "Motor? Ja, hinten." Und das muss reichen.

Immerhin reicht manchen Menschen ja auch ein Garagenfund, um zu zeigen, was man aus einem Bulli alles machen kann. Dabei ist es egal, ob man ihn stretcht oder kürzt, poliert oder abrosten lässt. Hauptsache, man liebt ihn. Aber das tun wir ja alle, oder? (Und ich schau jetzt mal nach Weißwandreifen ...)


Norbert Nettekoven: Bullimania. Unglaubliche VW-Busse. Verlag Delius Klasing Bielefeld 2018, 18,6 x 24,5 cm, gebunden, 143 Seiten mit 308 farbigen Abbildungen, ISBN 978-3-667-11238-5, 19.90 Euro.

Heiko P. Wacker