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Immer mehr wollen campen - Caraving-Boom hält an

Die Corona-Pandemie hat der Camping-Branche nue Rekorde eingebracht. Auch 2021 wird ein Rekordjahr werden. Die Hersteller kommen auch wegen Materialmangel beim Produzieren nicht mehr hinterher.

Camping-Mietmobil von Roadsurfer.

 ©Roadsurfer

2021 wird wohl als ein weiteres Rekordjahr in die Annalen der Caravaning-Branche eingehen. Zwar wird der Herstellerverband CIVD (Caravaning Industrieverband Deutschland) seine offiziellen Zahlen erst Anfang Dezember veröffentlichen, doch die werden das ablaufende Jahr vermutlich wiederum als absatzstärkstes in der Geschichte der Anbieter ausweisen. Und dass, obwohl die Hersteller gerade in der zweiten Jahreshälfte weit mehr Fahrzeuge hätten verkaufen können, wenn es denn genug gegeben hätte. So aber ist das Grummeln deutlich hörbar.

Es mangelt an Zulieferteilen und Basisfahrzeugen aufgrund der Verknappung von Rohstoffen. Seitz etwa kommt mit der Fensterproduktion nicht mehr hinterher, Dometic und Thetford gehen die Kühlschränke und Toiletten aus, weil das Kunststoff-Granulat fehlt, aus dem die Bauteile gebacken werden. Und Marktführer Fiat kann die Nachfrage nach dem Erfolgsmodell Ducato nicht befriedigen, da auch hier der Halbleitermangel den Fertigungstakt lähmend vorgibt.

Das hat zu erheblichen Verlängerungen der Lieferzeiten geführt. Während Camper noch vor gar nicht langer Zeit drei bis vier Monate auf ihr Traummobil warten mussten, müssen sie sich bei speziellen Modellen aktuell über ein Jahr gedulden. Einzig jene, die „von der Stange“ kaufen, also mit dem Vorlieb nehmen, was die Händler in weiser Voraussicht im Sommer bestellt und nun auf dem Hof stehen haben, können ihre Rolling Homes früher in Besitz nehmen. Andererseits kann eine Vielzahl von Mobilen nicht fertiggestellt werden. Bei Luxusmarken wie etwa Morelo im Fränkischen Schlüsselfeld parken Dutzende von Liner-Modellen auf den Bereitstellungsplätzen – mit zugeklebten Fenstern, weil die Zulieferindustrie eben diese nicht anbieten kann. Die Branche sieht die hohe Kapitalbindung dennoch halbwegs gelassen. „Wir haben in den Jahren zuvor blendend verdient und so werden wir auch diese Durststrecke ohne nennenswerte Turbulenzen hinter uns lassen“, sagt ein Insider.

Dabei ist der Ansturm nicht nur bei den Händlern sondern auch im Vermietgeschäft ungebrochen. Susanne Dickhardt, Mitgründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von Rent-a-Car-Anbieter Roadsurfer sagt: „Der Trend zu Übernachtungen in der Natur auf privaten und individuellen Stellplätzen hat sich in diesem Jahr besonders abgezeichnet. Die Nachfrage nach Alternativen zu großen Campingplätzen und legalen Wildcamping-Möglichkeiten steigt rasant. Im kommenden Jahr streben wir mit Roadsurfer Spots eine Summe an gebuchten Nächten im mittleren sechsstelligen Bereich an.“

Sein fünfjähriges Jubiläum feiert das Start-Up-Unternehmen mit solider Expansion. Vier neue Märkte, Schweden, England, Schottland und die Schweiz sollen bedient werden, die Flottengröße von zurzeit 2500 Fahrzeugen auf etwa 5000 Einheiten wachsen. Nachdem sich bislang nur Kompaktcamper wie VW California, Mercedes Marco Polo oder der Ford Nugget im Programm fanden, nimmt Roadsurfer künftig auch teilintegrierte Mobile im Portfolio auf. Mit einem neuen Preismodell gibt es die kleineren Fahrzeuge abseits der Hauptsaison bereits ab 65 Euro je Nacht. Begonnen hat das Unternehmen 2021 mit gerade mal 25 Fahrzeugen.

Ähnlich erfolgreich ist auch Indie Campers unterwegs, die das naturnahe Campen in den Vordergrund stellen. Allerdings geht das muntere Münchner Unternehmen noch einen Schritt weiter und empfiehlt einen Winter-Road-Trip im VW Bus. Immerhin gibt es eine Reihe von Tipps, das Wohnmobil warmzuhalten und auch die volle Abnabelung von der Zivilisation in der kalten Jahreszeit mit dieser Art Fahrzeugen wird eher nicht empfohlen. Die Kraftstoffheizung wärmt zwar ordentlich im Dieselbetrieb, das kräftige Gebläse hat die Batterie jedoch frühestens kurz nach der Geisterstunde leergesaugt. Das Andocken an einen Stellplatz mit guter Infrastruktur oder besser noch einem Wintercamping-Platz ist zwischen Dezember und März wirklich ratsam. Je mehr Anbieter auf den überschäumenden Markt drängen, desto vielfältiger werden die Ideen, die Kunden zu überzeugen, wie man sieht.

Eine gute Nachricht bringt das Jahresende unterdessen für alle Reisemobil-Enthusiasten, die auf die Leichtigkeit des Seins setzen. Denn immer mehr Komfortausstattung kommt mittlerweile an Bord der Mobile. Und wenn dann noch ein gewichtiger, nicht nur im Winter überaus hilfreicher Allradantrieb mit von der Partie ist, bleibt in vielen Fällen nur noch eine Auflastung auf 4,5 Tonnen inklusive hoher Mautkosten und Temporeduktion als einziger Lösungsweg. Das steirische Unternehmen Essential Vans geht andere Wege und setzt auf eine radikale Diät. Nicht „Allrad oder 3,5 Tonnen“ sondern „Allrad und 3,5 Tonnen“ lautet die Devise der kleinen Manufaktur. Leichte Isolierungen und eine Blockbauweise, die immer dann jene Ausrüstungselemente an Bord bringt, wenn sie für die Ferienfahrt tatsächlich gebraucht werden, sollen dem Übergewicht entgegenwirken.

Auf der aktuell noch geplanten ersten Camper-Messe 2022, der CMT in Stuttgart vom 15. bis 23. Januar, will Essential Vans zwei Mobile auf Basis des Mercedes-Benz Sprinter zeigen. Sie seien kompakt wie ein Bus und geräumig wie ein Reisemobil, weltreisetauglich und mit dem neuen 4x4-Antrieb des Sprinters versehen, heißt es. Das Leergewicht soll unter drei Tonnen liegen. Diese Innovation dürfte nicht die einzige im kommenden Jahr sein. Elektromobilität und Klimaneutralität sind die neuen Trends der Branche und werden in den kommenden 12 Monaten gehörig Fahrt aufnehmen. Caravaning bleibt also in Bewegung, denn die Lust aufs Verreisen ist trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie ungebrochen.

Michael Kirchberger